Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts („SanInsFoG")
Der Deutsche Bundestag hat in seiner letzten Sitzung in 2020 das sogenannte Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts („SanInsFoG“) beschlossen, das bereits ab dem 1. Januar 2021 geltendes Recht ist. Das Gesetz geht unter anderem auf eine EU-Richtlinie zurück, die allen Mitgliedsstaaten vorgibt, außerinsolvenzliche Restrukturierungen zu ermöglichen. Die erwarteten wirtschaftlichen Verwerfungen in Folge der Covid-19 Pandemie haben den deutschen Gesetzgeber jedoch veranlasst, dieses Gesetzgebungsvorhaben vorzuziehen und zudem weitere umfangreiche Abmilderungen für die wirtschaftlichen Folgen der Lockdowns für Unternehmen geschaffen.
Die Regelungen des SanInsFoG lassen sich im Großen und Ganzen in drei Bereiche unterteilen: Kernstück ist das Gesetz über den Stabilisierung- und Restrukturierungsrahmen („StaRUG“), die Änderungen der Insolvenzordnung („InsO“) sind zum Teil erheblich und die speziellen Erleichterungen, die an die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie anknüpfen, sollen deren wirtschaftliche Folgen abmildern.
Das deutsche Restrukturierungsrecht wird durch diese neuen Regelungen sehr flexibel. Es wird ermöglicht, angepasst auf den jeweiligen Einzelfall, eine Restrukturierung vorzunehmen. Letztlich können die neuen Regelungen, kombiniert mit den ohnehin bestehenden Möglichkeiten der deutschen Insolvenzordnung, wie ein modularer Baukasten benutzt werden, um die bestmögliche Sanierung eines Unternehmens zu erreichen.
Die Regelungen des StaRUG
Mit dem StaRUG hat der deutsche Gesetzgeber Neuland betreten. Ein Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG ist kein Insolvenzverfahren und es sind gerichtliche Entscheidungen nur in einem überschaubaren Maße erforderlich.
Grundvoraussetzung für die Anwendung des StaRUG ist die drohende Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens. Nach der neuen Definition des Gesetzgebers besteht die drohende Zahlungsunfähigkeit dann, wenn ein Unternehmen für die kommenden 24 Monate nicht überwiegend wahrscheinlich zahlungsfähig sein wird. Dies wird für viele Unternehmen, die sich in einer Krise befinden, zu bejahen sein. Ausgeschlossen sind die Regelungen für eine außergerichtliche Sanierung jedoch dann, wenn ein Unternehmen überschuldet, also nur noch für weniger als zwölf Monate zahlungsfähig sein wird oder bereits zahlungsunfähig ist. Letzterenfalls steht diesen Unternehmen jedoch die Möglichkeit offen, sich über ein Insolvenzverfahren, möglicherweise in Form der Eigenverwaltung, zu sanieren.
Kernstück der neuen Regelungen ist der Restrukturierungsplan. Der Restrukturierungsplan wird von dem Unternehmen aufgestellt und und durch ihn erfolgen die Eingriffe in die Verbindlichkeiten des Unternehmens. So ist ein Neukredit, ein Forderungsverzicht, die Verlängerung von Kreditlaufzeiten, Zinsanpassungen und vieles mehr denkbar. Ziel des Restrukturierungsplan ist der Erhalt des Unternehmens und eine angemessene Behandlung der Gläubigerforderungen. Mit dem Restrukturierungsplan kann auch in Sicherungsrechte der Gläubiger, ja selbst in die Sicherungsrechte verbundener Unternehmen eingegriffen werden. Restrukturierungsforderungen können auch, allerdings nur mit der Zustimmung der Forderungsinhaber, in Eigenkapital des Unternehmens umgewandelt werden. Das Unternehmen, das den Restrukturierungsplan aufstellt, muss nicht in alle Gläubigerforderungen eingreifen, sondern kann nach sachgerechten Kriterien aussuchen, welche Forderungen von dem Restrukturierungsplan erfasst sein sollen.
Ausgeschlossen sind allerdings Eingriffe in die Rechte der Arbeitnehmer. Sollte es im Rahmen der Sanierung bspw. zu einem Arbeitsplatzabbau kommen, dann muss das Unternehmen die Kosten eines solchen Abbaus aus dem bestehenden Vermögen bezahlen oder sich für eine Sanierung durch ein Insolvenzverfahren entscheiden. Ursprünglich war im Gesetzesentwurf auch vorgesehen, dass das Unternehmen das Recht hat, sich von laufenden Verträgen (bspw. Mietverträgen) zu lösen. Diese weitergehenden Möglichkeiten sind jedoch vom Gesetzgeber nicht übernommen worden.
Über den Restrukturierungsplan stimmen die betroffenen Gläubiger ab. Dabei hat das Unternehmen die Möglichkeit, die Gläubiger in Gruppen einzuteilen. Das Stimmrecht richtet sich nach der Forderungshöhe und ein Restrukturierungsplan ist dann angenommen, wenn in jeder Gruppe drei Viertel der Gläubiger zustimmen. Sollte ein Restrukturierungsplan nicht die notwendige Mehrheit in einer Gruppe finden, kann deren Zustimmung dann ersetzt werden (Cram Down), wenn eine Mehrheit der anderen Gruppen dem Plan zustimmt und die ablehnende Gruppe nicht schlechter gestellt wird (Best Interest Test). Die Möglichkeit, die Gläubiger in Gruppen einzuteilen, kann daher von entscheidender Bedeutung sein.
Neu ist die Regelung, dass eine unterschiedliche Behandlung in den einzelnen Gruppen dann gerechtfertigt sein kann, wenn dies aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens erfolgt, die nicht anders gelöst werden können. Diese Durchbrechung des Grundsatzes der „absoluten Priorität“ (Absolute Priority Rule) ist ein echter Paradigmenwechsel im deutschen Recht und findet sich nunmehr in abgeschwächter Form auch bei den Regelungen zum Insolvenzplan. Mit dieser Neuerung wird deutlich, dass das Unternehmensinteresse unter bestimmten Umständen dem Gläubigerinteresse vorgehen kann.
In welchem Umfang ein Gericht in dieses Verfahren eingebunden wird, bestimmt das Unternehmen. Es ist durchaus möglich, dass ein Unternehmen sich mit seinen Gläubigern im Rahmen eines Restrukturierungsplans einigt und ein Gericht für die Bestätigung des Restrukturierungsplans nicht eingeschaltet werden muss, wenn sich alle Beteiligten an diese Regelung gebunden fühlen. Möglich ist es aber auch, dass der Restrukturierungsplan aufgestellt, über ihn abgestimmt und er auf Antrag des Unternehmens durch das Gericht bestätigt wird. In diesem Fall prüft das Gericht nicht den Restrukturierungsplan selbst, sondern prüft nur, ob die Voraussetzungen für ein StaRUG-Verfahren eingehalten worden sind. Sofern die Länder dies nicht abweichend regeln, ist die Zuständigkeit hierfür auf die Insolvenzgerichte konzentriert, in deren Bezirk ein Oberlandesgericht seinen Sitz hat. Damit soll eine Professionalisierung der Restrukturierungsgerichte erzielt werden.
Es ist durchaus aber auch möglich, dass das StaRUG-Verfahren, vergleichbar mit den Regelungen eines Insolvenzverfahrens, mit einer stärkeren Einbindung des Gerichtes und der Bestimmung eines Restrukturierungsbeauftragten einhergeht. Eine solche förmlichere Organisation eines StaRUG-Verfahren empfiehlt sich vor allem dann, wenn weitere Maßnahmen zur Unterstützung der Sanierung von dem Gericht angeordnet werden sollen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Gericht sogenannte Stabilisierungsanordnungen für die Dauer von bis zu drei Monaten erlässt, die dem Unternehmen die Ruhe gewähren, die es für die Durchführung des StaRUG-Verfahrens benötigt: So können Maßnahmen der Zwangsvollstreckung untersagt oder eingestellt werden oder können den Gläubigern, die über Ab- und Aussonderungsrechte verfügen, die Verwertung der gesicherten Gegenstände untersagt werden. Während der Laufzeit der Stabilisierungsanordnungen können die Gläubiger zudem keinen Insolvenzantrag stellen.
Ist eine gerichtliche Planabstimmung gewünscht, so erfolgt die Abstimmung über den Restrukturierungsplan in einem Erörterungs- und Abstimmungstermin. Auf Antrag des Unternehmens kann das Gericht auch eine Vorprüfung des Planes vornehmen und es können in einem Vorprüfungstermin die Belange der Planbetroffenen besprochen werden. Eine solche Vorgehensweise ist dann empfehlenswert, wenn in sehr viele Gläubigerrechte über den Restrukturierungsplan eingegriffen werden soll oder aber Gläubiger betroffen sind, die unterschiedliche Interessen haben oder die ein solches Verfahren noch nicht durchlaufen haben.
Der Restrukturierungsplan, der vom Gericht bestätigt werden soll, durchläuft ein sogenanntes Bestätigungsverfahren. Im Rahmen dieses Verfahrens werden die Voraussetzungen des Restrukturierungsplanes geprüft und es erfolgt auch die Beachtung des Minderheitenschutzes. Die Entscheidung des Gerichtes kann im Rahmen einer sofortigen Beschwerde, welche die Glaubhaftmachung einer Schlechterstellung durch den Restrukturierungsplan voraussetzt, von jedem Planbetroffenen angegriffen werden. Lediglich auf Antrag des beschwerten Gläubigers ordnet das Gericht die aufschiebende Wirkung der Beschwerde an, sofern Nachteile für den betroffenen Gläubiger nicht rückgängig gemacht werden können.
Für ein StaRUG-Verfahren ist die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten, vergleichbar der Funktion eines Sachwalters in einem Eigenverwaltungsverfahren, nicht zwingend notwendig. Das Gericht bestellt nur dann einen Restrukturierungsbeauftragten, wenn das Unternehmen einen entsprechenden Antrag stellt oder wenn im Rahmen der Restrukturierung in die Rechte von Kleingläubigern eingegriffen werden soll. Ferner dann, wenn Stabilisierungsanordnungen sich im Wesentlichen gegen alle Gläubiger des Unternehmens richten. Für die Position eines Restrukturierungsbeauftragten, der in jedem Fall eine natürliche Person sein muss, sind Erfahrungen in Restrukturierungssachen sowie die Qualifikation eines Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers, Rechtsanwaltes oder eine vergleichbare Ausbildung notwendig. Die Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten erfolgt auf der Grundlage von Stundensätzen, die im Regelfall 350 EUR nicht übersteigen sollen. Ausnahmen sind im Einzelfall möglich.
Die erst ab dem 17.7.2022 mögliche öffentliche Bekanntmachung der Entscheidungen in einem StaRUG-Verfahren erfolgt nur dann, wenn dies von dem Unternehmen selbst beantragt wird. Die Bekanntmachung bewirkt, dass die StaRUG-Maßnahmen auch in anderen EU/EWR-Staaten anerkannt werden müssen.
Ebenfalls im StaRUG geregelt ist die sogenannte „Sanierungsmoderation“. Im Rahmen der Sanierungsmoderation bestellt das Gericht auf Antrag des Unternehmens eine sachkundige Person, die die Vergleichsverhandlungen des Unternehmens mit seinen Gläubigern moderieren soll. Der Sanierungsmoderator erhält Einblick in die Bücher des Unternehmens. Ein Sanierungsvergleich, der vom Sanierungsmoderator vermittelt wird, kann gerichtlich bestätigt werden. Im Rahmen der Sanierungsmoderation können keine Stabilisierungsmaßnahmen erlassen werden und der Sanierungsvergleich bedarf der Zustimmung aller Gläubiger.
Das StaRUG-Verfahren gewährt einem kriselnden Unternehmen viele Möglichkeiten, um sich zu sanieren. Das StaRUG verlangt aber von der Geschäftsführung des Unternehmens auch eine kontinuierliche Überwachung der potentiellen Gefährdung der wirtschaftlichen Verfassung. Zwar war im Gesetzesentwurf geregelt, dass ab dem Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit ein „Shift of Fiduciary Interests“ zugunsten der Gläubiger eintreten sollte, bei deren Missachtung eine Haftung der Geschäftsführer vorgesehen war. Diese Regelung ist vom Gesetzgeber aber nicht übernommen worden. Gleichwohl ist zumindest dann von einer Haftung der Organe auszugehen, wenn sie bestandsgefährdende Beeinträchtigungen bei ihrer Geschäftsführungstätigkeit nicht beachten. Stellt sich zudem nach dem Antrag der Stabilisierungsanordnungen heraus, dass deren Anordnungsvoraussetzungen nicht vorhanden waren, so haftet die Geschäftsführung für die Schäden, die die betroffenen Gläubiger durch die Anordnung der Maßnahmen erleiden.
Wird der Restrukturierungsplan rechtskräftig bestätigt, dann können die damit in Verbindung stehenden Vollzugsmaßnahmen in einem Insolvenzverfahren, das sich gegebenenfalls einem StaRUG-Verfahren anschließt, nicht angefochten werden. Auch dann, wenn das StaRUG-Verfahren vorzeitig, also vor der Bestätigung des Restrukturierungsplans endet, können Unterstützungshandlungen, wie etwa Notkredite, nur unter erschwerten Bedingungen angefochten oder als sittenwidrig beurteilt werden. Diese Regelungen zielen darauf hin, dass ein StaRUG-Verfahren allgemein akzeptiert und nicht behindert wird.
Änderungen der InsO durch das SanInsFoG
Durch das SanInsFoG erfolgen auch wesentliche gesetzliche Änderungen in Bezug auf die Eigenverwaltung.
War es bisher bei gut vorbereiteten Eigenverwaltungsverfahren gängige Praxis, dass bereits bei Antragstellung eine Finanzplanung zumindest für den Zeitraum des vorläufigen Verfahrens vorlag, ist dies nunmehr als Anforderung an einen Insolvenzantrag auch im Gesetz wiederzufinden. Die neue Regelung geht sogar darüber hinaus und formuliert einzelne Vorgaben an die dem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung beizufügenden Anlagen. So ist eine Eigenverwaltungsplanung vorzulegen, welche neben einem Finanzplan auch ein Konzept für die Durchführung des Insolvenzverfahrens mit dem Ziel der Eigenverwaltung beinhalten muss. Das Konzept soll dabei unter Beschreibung der hierfür vorzunehmenden Maßnahmen, die Darstellung des Stands von Verhandlungen mit Gläubigern, eine Darstellung der Vorkehrungen zur Sicherstellung der Einhaltung der insolvenzrechtlichen Pflichten sowie eine begründete Darstellung etwaiger Mehr- oder Minderkosten, die im Rahmen der Eigenverwaltung im Vergleich zu einem Regelverfahren voraussichtlich anfallen, umfassen.
Weiter hat das beantragende Unternehmen zu erklären, ob und in welcher Höhe es sich mit der Erfüllung von Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen, Pensionszusagen oder dem Steuerschuldverhältnis, gegenüber Sozialversicherungsträgern oder Lieferanten in Verzug befindet, ob in den letzten drei Jahren Vollstreckungs- oder Verwertungssperren nach der InsO oder dem StaRUG angeordnet wurden und ob es in den letzten drei Geschäftsjahren in Bezug auf seine Jahresabschlüsse seinen Offenlegungspflichten nach dem Handelsgesetzbuch nachgekommen ist.
Sollte das beantragende Unternehmen bei diesen zwingenden Zusatzangaben mangelhaft sein, kann die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters (und damit impliziert die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung) nur dann erfolgen, wenn trotz dieser Umstände zu erwarten ist, dass das beantragende Unternehmen bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubiger auszurichten. Gleiches gilt, wenn die Eigenverwaltung die Kosten eines Regelverfahrens deutlich übersteigt und wenn der vorzulegende Finanzplan eine Liquiditätslücke aufweist. Hier wurden somit die Anforderungen an die Eigenverwaltung deutlich erhöht.
War es bisher (nach zahlreichen gerichtlichen Entscheidungen) gängige Praxis, dass in Eigenverwaltungsverfahren die Möglichkeit der Begründung von Masseverbindlichkeiten besteht, so hat dies nun auch den Weg ins Gesetz gefunden. Auf Antrag des Schuldners hat das Gericht anzuordnen, dass das beantragende Unternehmen Masseverbindlichkeiten begründet.
Ebenfalls erstmalig gesetzlich geregelt wird ein Anspruch des beantragenden Unternehmens auf ein Vorgespräch bei dem für ihn zuständigen Insolvenzgericht. Danach hat das beantragende Unternehmen, wenn es gewisse Voraussetzungen erfüllt, einen Anspruch auf ein Vorgespräch, um die verfahrensrelevanten Themen, insbesondere die Voraussetzungen für eine Eigenverwaltung, die Eigenverwaltungsplanung, die Besetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses, die Person des vorläufigen Sachwalters, etwaige Sicherungsanordnungen und die Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten mit dem zuständigen Richter zu besprechen. Bisher wurde dies (mangels Rechtsanspruch) von den einzelnen Gerichten unterschiedlich gehandhabt.
Eine Änderung des Gesetzes erfolgt ferner bei der Insolvenzantragspflicht, den sich daraus ergebenden Zahlungsverboten sowie bei der Haftung des Geschäftsführers. Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder tritt die Überschuldung ein, ist der Insolvenzantrag nunmehr ohne schuldhaftes Zögern, spätestens jedoch drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Bei der Überschuldung als Insolvenzgrund wird damit der Zeitraum für den Antrag auf sechs Wochen erweitert. Dies soll dem beantragenden Unternehmen die Möglichkeit geben, laufende Sanierungsbemühungen erfolgreich zum Abschluss zu bringen oder auch eine Sanierung über ein Insolvenzverfahren, etwa in der Form einer Eigenverwaltung, vorzubereiten.
Die im geltenden Recht auf die gesellschaftsrechtlichen Kodifikationen verteilten Regelungen zu den Zahlungsverboten werden nun zu einer allgemeinen Vorschrift zusammengefasst, die sich fortan in der InsO befindet. Gleichzeitig erfolgt eine Abweichung von der hierzu ergangenen gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes: Zahlungen innerhalb der Höchstzeiträume begründen dann keine Haftung der Geschäftsleiter, wenn sie zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich waren und solange die antragspflichtigen Geschäftsführer Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder zur ordnungsgemäßen Vorbereitung des Insolvenzantrages betrieben haben.
Änderungen des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG)
Nachdem der Gesetzgeber bereits Ende September 2020 die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, für solche Unternehmen, deren Insolvenzreife auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht, für den Insolvenzgrund der Überschuldung bis zum 31. Dezember 2020 verlängert hatte, wurde die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ein weiteres Mal vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Januar 2021 ausgesetzt. Diese Aussetzung gilt jetzt auch wieder für den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit. Die Aussetzung gilt dieses Mal aber nur mehr für solche Unternehmen, die
- im Zeitraum vom 1. November 2020 bis zum 31. Dezember 2020 einen Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben oder, falls eine solche Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen innerhalb des Zeitraums nicht möglich war, die nach den Bedingungen des staatlichen Hilfsprogramms in den Kreis der Antragsberechtigten fallen;
- Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung haben und für die
- die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife ausreichend ist.
Soweit für ein Unternehmen die Insolvenzantragspflicht zwischen dem 1. und 31. Januar 2021 hiernach ausgesetzt ist, gelten für diese, ihre Geschäftsführer und ihre Gläubiger die gesetzlichen Erleichterungen für Neufinanzierungen und ihre Besicherung, insbesondere die gesetzliche Freistellung von Haftungs- und Insolvenzanfechtungsrisiken (siehe „COVID-19: Staatliche Finanzierungshilfen, Änderungen im Kreditvertrags- und Insolvenzrecht“).
Im Zusammenhang mit der Einführung des StaRUG und den Änderungen in der Insolvenzordnung gelten zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie übergangsweise einige Erleichterungen.
Unternehmen können zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 31. Dezember 2021 für die Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung anstelle eines Zeitraums von zwölf Monaten einen Zeitraum von vier Monaten zugrunde legen, wenn die Überschuldung auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist. Dies wird vermutet, wenn
- das Unternehmen am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war,
- das Unternehmen in dem letzten, vor dem 1. Januar 2020 abgeschlossenen Geschäftsjahr ein positives Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erwirtschaftet hat und
- der Umsatz aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit im Kalenderjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 30 Prozent eingebrochen ist.
Zudem können Unternehmen zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2021 ein Schutzschirmverfahren auch bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit und (sei es innerhalb oder außerhalb eines Schutzschirmverfahrens) eine Eigenverwaltung noch zu den für sie erleichterten alten Bedingungen (also ohne eine Finanzplanung und den weiter oben dargestellten Voraussetzungen) beantragen, wenn die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Unternehmens auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist. Dies wird (unwiderleglich) vermutet, wenn das Unternehmen eine Bescheinigung von einer in Insolvenzsachen qualifizierten Person (Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte etc.) vorlegt, aus der sich ergibt, dass
- das Unternehmen am 31. Dezember 2019 weder zahlungsunfähig noch überschuldet war,
- das Unternehmen in dem letzten vor dem 1. Januar 2020 abgeschlossenen Geschäftsjahr ein positives Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erwirtschaftet hat und
- der Umsatz aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit im Kalenderjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 30 Prozent eingebrochen ist.
Sofern die in Nummer 2 oder 3 genannten Voraussetzungen nicht oder nicht vollständig vorliegen, reicht es auch aus, wenn aus der Bescheinigung hervorgeht, dass aufgrund von Besonderheiten, die im Unternehmen oder in der Branche, der es angehört, begründet sind oder aufgrund sonstiger Umstände oder Verhältnisse, dennoch davon ausgegangen werden kann, dass die Insolvenzreife auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist.
Soweit es um die Anwendung der erleichterten alten Bedingungen für die Eigenverwaltung geht, reicht es alternativ dazu auch aus, wenn das Unternehmen in seinem Insolvenzantrag darlegt, dass zum Antragszeitpunkt keine Verbindlichkeiten mehr bestehen, die am 31. Dezember 2019 bereits fällig und zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestritten waren. Und soweit es um die Anwendung des Schutzschirmverfahrens geht, ist es nicht erforderlich, dass zum 31. Dezember 2019 keine Überschuldung vorlag.